Das Glück der Kindheit im frühen Werk Thomas Manns

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Article

Publication Date

1-1-1987

Abstract

Das Motiv vom Glück der Kindheit im Werk Thomas Manns ist bislang von der Literaturwissenschaft als nebensächlich verkannt und in seinem künstlerischen Stellenwert unterschätzt worden. Gerade die Glücksthematik zieht sich jedoch durch das gesamte Werk dieses Autors: von der Erzählung«Der Wille zum Glück»(1896) bis zum Roman«Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull»(1954). Erst im Zusammenhang mit dem Motiv der Kindheit lassen sich aber klare Konturen bei der Gestaltung dieses Gegenstandes erkennen. Die vor dem Roman«Buddenbrooks»entstandenen Erzählungen sind Ausdruck der Dichotomie zwischen romantischen Lebenszielen und einer grausamen, erfolgsorientierten Umwelt. Die vom Leben enttäuschten Helden sehen in den wenigen glücklichen Kindheitserlebnissen, an die sie sich nur vage erinnern, den Ausgangspunkt ihrer Entfremdung von den anderen. Sie laufen Gefahr, sich in ihrer Verzweiflung wiederum kindlich zu verhalten und hierdurch als naiv ‘entlarvt’ zu werden. Die Verbindung von kindlichem Glück und Lächerlichkeit findet sich auch in den späteren Werken Thomas Manns, zumeist aber nur als Urteil einzelner Gestalten wie Sesemi Weichbrodt in den«Buddenbrooks». Ihr stehen nun jedoch andere Realisationsformen des Motivs gegenüber. Dies wird möglich, weil der Roman die Dichotomie von Glück und Leben als den Endpunkt eines historischen Entfremdungsprozesses erscheinen Iäßt. So wird dann auch in den folgenden Werken der Versuch unternommen, dem gefährdeten Glück immer wieder neuen Ausdruck zu verschaffen. Copyright © 1987, Wiley Blackwell. All rights reserved

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